Weinbergs-Sonnenuhren
Sie sind Maßstäbe für das Fortschreiten des Tages und so alt wie die Menschheit: Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts waren Sonnenuhren das Synonym für Uhren überhaupt - andere gab es nicht.
Das Prinzip ist einfach: Parallel zur Erdachse wird ein Stab verankert, dessen Schattenwurf zeigt dann auf der Fläche darunter den Stand der Sonne, und damit Stunden oder Minuten an. Die Steillagen der Mosel, oft gen Süden ausgerichtet, boten also ideale Voraussetzungen für Sonnenuhren. In den Zeiten bevor Taschen- oder gar Armbanduhren verfügbar waren, dienten sie den Weinbergsarbeitern als Zeitmesser ihrer Tage.
Mehrere Hundert dieser meist steinernen Zeitmesser dürfte es an der Mosel heute noch geben. So markant waren viele von ihnen, dass sie sogar den Weinbergslagen ihren Namen gaben. Der Zusammenhang ist klar: Wo eine Sonnenuhr steht, gedeiht auch erstklassiger Wein, denn es handelt sich um eine sonnenverwöhnte Südlage. Die berühmtesten heißen Wehlener Sonnenuhr, die nur wenige hundert Meter entfernte Zeltinger Sonnenuhr sowie die Brauneberger Juffer-Sonnenuhr. Weitere Sonnenuhren gibt es in Ürzig im Turm einer ehemaligen Burganlage, die zwischen Weinreben in die Felsen gebaut wurde. Aber auch in Neumagen, in Maring und in Pommern sind die meist weithin sichtbaren Zeitmesser in den steilen Weinhängen zu sehen.
In Wehlen wurde die berühmte Sonnenuhr im Weinberg zum Wahrzeichen des Ortes. Errichtet wurde sie 1842 von dem Weinbergsbesitzer Jodocus Prüm. Sie zeigt, wie alle alten Sonnenuhren, die wahre Ortszeit an: Wenn also die Sonne ihren Höchststand über Wehlen erreicht, fällt der Zeigerschatten genau auf zwölf Uhr. Im Vergleich zur Mitteleuropäischen Zeit (MEZ), die 1893 verbindlich eingeführt wurde, gibt es allerdings einen Unterschied von 32 Minuten - die Sonnenuhr geht also um rund eine halbe Stunde nach. Um das Jahr 1900 wurde die Weinbergslage dann nach der berühmten Uhr „Wehlener Sonnenuhr“ benannt.
Wehlen hat sich heute zum Ziel gesetzt, Ort der 100 Sonnenuhren zu werden. Mehr als 50 gibt es bereits, die ältesten stammen aus dem 17. Jahrhundert. Doch auch neue Uhren entstehen, in unterschiedlichster Ausprägung: Da gibt es horizontale Sonnenuhren, etwa auf alten Weinfässern, vertikale Uhren an Hauswänden, Äquatorial-Sonnenuhren, die aussehen wie ein Globus, und digitale Sonnenuhren, bei denen nicht ein Zeiger wandert, sondern die Sonne durch ein Zahlenband scheint und so die Uhrzeit auf den Untergrund projiziert. Ein Überblick im Internet listet alle Sonnuhren in Wehlen auf. Und wer weiß, vielleicht inspirierten die Sonnenuhren der Mosel die alte Schlager-Zeile: „Mach' es wie die Sonnenuhr, zähl' die heitren Stunden nur.“