Rheinhessen: Land der Trulli
Rheinhessen ist das Land der Trulli. Klingt wie der Titel eines Kinderbuchs, ist aber ein weinkulturelles Phänomen, das es hier, in Deutschlands größtem Anbaugebiet, in besonderer Vielfalt und Anzahl gibt.
Ein Trullo (Mehrzahl: Trulli) ist ein einzigartiges Weinbergshäuschen, das wie eine Mischung aus Kegel und Iglu aussieht. Der Name stammt übrigens aus Apulien in Italien, wo ähnliche Rundhäuschen stehen. Sie wurden womöglich von lombardischen Steinmetzen erbaut, die in den Flonheimer Steinbrüchen arbeiteten. Auf Rheinhessisch wird solch eine kleine Hütte als „Wingertshaisje“ bezeichnet. Man findet viele dieser weiß getünchten Häuschen mit dem charakteristischen steinernen „Zippus“ als Bekrönung auf dem Dach, in den rheinhessischen Weinbergen, wo sie im 18. und 19. Jahrhundert gebaut wurden; ein sehr hübsches Exemplar, das wohl älteste in Rheinhessen, gibt es bei Flonheim im rheinhessischen Hügelland, und zwar auf dem Adelberg, oberhalb der Rabenkanzel im Aulheimer Tälchen. Der Wanderweg, der dort hinführt, heißt im schönsten Rheinhessisch: „Hiwweltour Aulheimer Tal“ – benannt nach den sanften Hügeln Rheinhessens, die man „Hiwwel“ nennt.
Ein anderer Trullo, der Laukhard-Trullo, steht bei Wendelsheim. Es ist respektable fünf Meter hoch. Im Türsturz ist als Baujahr 1763 angegeben. Friedrich Christian Laukhard, 1757 in Wendelsheim geboren, war ein Chronist und Autor der Spätaufklärung. Schon möglich, dass er als Kind die Bauarbeiten am „Laukhard-Trullo“ miterlebt hat! Im südlichen Rheinhessen, dem Wonnegau, stehen besonders viele Trulli in den Weinbergen. Da die Häuschen oft nicht mehr genutzt wurden, begannen sie zu zerfallen. Die Weinbruderschaft Rheinhessen erkannte 1984 die weinkulturelle Bedeutung sowohl dieser eigentümlichen Bauten als auch die der anderen Weinbergshäuschen in der Region und nahm mit den Denkmalbehörden des Landes Kontakt auf. Seit 1987 werden die schönsten Trulli, aber auch andere Weinbergshäuschen prämiert und mit einer Tafel ausgestattet. Inzwischen sind sie fast zu einem Symbol der rheinhessischen Weine avanciert. Eine „Trulli-Wanderung“ ist ein sehr netter Zeitvertreib. Als Rastplatz ist solch ein Häuschen ja auch gedacht gewesen. Die Weinbergsarbeiter haben sich dort bei schlechtem Wetter untergestellt oder ihre Brotzeit verzehrt. Auch wurde wohl Werkzeug in den Trulli aufbewahrt. Man sieht: Weinkultur ist mehr als Trauben und Terroir. Sie ist auch eine architektonische Angelegenheit – im größten Weinanbaugebiet Deutschlands.